Wie China westliches Know-how in Waffen verwandelt
Chinas Griff nach westlicher Technologie: Der Fall Imagination Technologies zeigt, wie westliches Know-how strategisch abgeschöpft und für militärische Ziele eingesetzt wird
China setzt gezielt westliche Technologie ein, um sein Militär zu stärken. Der Fall Imagination Technologies, einst ein Aushängeschild britischer Ingenieurskunst, verdeutlicht diese Strategie exemplarisch. Unter chinesischer Kontrolle entwickelt das Unternehmen Technologien, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dienen – mit weitreichenden geopolitischen Konsequenzen. Ein Blick auf die Mechanismen hinter dieser Strategie zeigt, warum der Westen dringend handeln muss..
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Into the Darkness: Eine britische Tech-Ikone fällt
England im Jahre 2020. Der leitende Angestellte „Howard“, dessen echter Name aus Sicherheitsgründen anonym bleibt, reicht seine Kündigung ein. Als langjähriger Mitarbeiter bei Imagination Technologies hatte er mit angesehen, wie das einstige Vorzeigeunternehmen der britischen Technologiebranche in eine Krise geriet. Einst berühmt für die Entwicklung hochmoderner Grafikeinheiten (GPUs), die von Apple und anderen Tech-Giganten genutzt wurden, stand Imagination nicht mehr auf stabilen Füßen.
GPUs (Graphics Processing Units) sind essenzielle Bausteine moderner Computertechnologie. Ursprünglich für die Verarbeitung von Grafiken entwickelt, spielen sie heute eine Schlüsselrolle in der Künstlichen Intelligenz (KI), beim maschinellen Lernen und in autonomen Systemen. Diese Prozessoren sind besonders leistungsfähig, da sie komplexe mathematische Berechnungen in Rekordzeit ausführen können. Genau diese Eigenschaften machen GPUs auch für militärische Anwendungen unverzichtbar – von Drohnensteuerungen über Zielerkennungssysteme bis hin zu kryptografischen Operationen.
Drei Jahre zuvor, im Jahr 2017, übernahm Canyon Bridge, ein von China Reform finanzierter Fonds, die Kontrolle über das Unternehmen. Offiziell wurde versichert, dass die britische Identität und die strategische Ausrichtung erhalten bleiben würden. Doch hinter den Kulissen veränderte sich alles: Führungskräfte wurden ausgetauscht, Ingenieure entlassen, und das Geschäftsmodell drehte sich zunehmend in Richtung asiatischer Märkte. Laut Howard begannen Führungskräfte, sensibles Wissen über GPU-Technologien an chinesische Unternehmen weiterzugeben – Unternehmen, die in direktem Kontakt mit militärischen Industrien standen.
„Es fühlte sich an, als würde man uns in einen dunklen Abgrund werfen“, berichtete er der Organisation UK-China Transparency (UKCT). Diese unabhängige Forschungsorganisation hat sich darauf spezialisiert, die Verflechtungen zwischen Großbritannien und China zu analysieren und offenzulegen. Im Fall Imagination Technologies dokumentierte UKCT detailliert, wie britisches Know-how systematisch in chinesische Hände transferiert wurde, oft mit Verbindungen zu Chinas militärisch-industriellem Komplex.
Seine düstere Prognose: Imagination werde ausgeschlachtet, und das verbleibende Wissen würde langfristig in die Hände fremder Mächte übergehen.
GPU-Technologie: Vom Alltag in den Kriegsmodus
Imagination Technologies war lange Zeit ein Aushängeschild britischer Innovationskraft. Gegründet in den 1980er Jahren, baute die Firma ihren Erfolg auf GPUs auf, die sowohl in Computerspielen als auch in Bereichen wie künstlicher Intelligenz und autonomen Fahrzeugen zum Einsatz kamen.
Einen zentralen Wendepunkt stellte die Partnerschaft mit Apple dar. Über ein Jahrzehnt hinweg nutzte der Tech-Riese Imagination-Technologien in seinen Geräten. Doch 2017 kündigte Apple überraschend an, eigene GPUs zu entwickeln. Dies führte zu einem massiven Umsatzeinbruch, der den Wert des Unternehmens einbrechen ließ. Schließlich wurde Imagination für lediglich 550 Millionen Pfund verkauft (ca. 630 Millionen Euro) – ein Bruchteil seines früheren Börsenwertes.
Diese Übernahme bot Canyon Bridge eine Chance. Trotz erheblicher Bedenken und einer vorherigen Aufnahme des Fonds auf die US-amerikanische Blacklist konnte Canyon Bridge die Übernahme abschließen. Die Finanzierung wurde direkt von China Reform gesteuert, einem staatlichen Arm der chinesischen Regierung, der gezielt Technologien aufkauft, um Chinas wirtschaftliche und militärische Eigenständigkeit zu stärken – ein Kernziel der von Xi Jinping initiierten „großen Verjüngung der chinesischen Nation“.
Canyon Bridge: Chinas Trojanisches Pferd
Die Übernahme durch Canyon Bridge war nicht nur eine wirtschaftliche Transaktion, sondern Teil eines strategischen Plans mit weitreichenden geopolitischen Konsequenzen. Offiziell präsentierte sich Canyon Bridge als ein Private-Equity-Fonds mit Sitz in Kalifornien, der von chinesischem Kapital unterstützt wurde. Doch Recherchen belegen eine tiefere Wahrheit: Hinter Canyon Bridge zog China Reform die Fäden, ein staatlich kontrollierter Investmentarm der chinesischen Regierung.
China Reform verfolgt eine klare Agenda. Ziel ist es, Schlüsseltechnologien und strategische Unternehmen zu erwerben, um Chinas wirtschaftliche und militärische Eigenständigkeit zu stärken. GPUs, wie sie Imagination Technologies entwickelte, spielen in dieser Strategie eine zentrale Rolle. Sie sind nicht nur essenziell für künstliche Intelligenz und autonome Systeme, sondern auch für militärische Anwendungen wie Kryptografie, Zielerkennung und Drohnensteuerung.
Die Übernahme durch Canyon Bridge markierte den Beginn tiefgreifender Veränderungen bei Imagination Technologies. Unter der neuen Führung wurde die Geschäftsausrichtung des Unternehmens radikal geändert. Geschäftsbeziehungen wurden mit chinesischen Firmen aufgebaut, die tief in den militärisch-industriellen Komplex der Volksrepublik eingebunden waren.
Abbildung 1: Imagination und der chinesische militärisch-industrielle Komplex. Quelle UKCT
Moore Threads, Biren und die PLA
Ein Beispiel dafür ist Moore Threads, ein Unternehmen, das von ehemaligen Nvidia-Ingenieuren gegründet wurde und schnell als aufstrebender Stern im Bereich der GPU-Entwicklung galt. Doch hinter der glänzenden Fassade eines modernen Tech-Unternehmens verbargen sich Verbindungen zu staatlichen Telekommunikationsanbietern Chinas, die wiederum eng mit der Volksbefreiungsarmee (PLA) verflochten sind. Berichten zufolge könnten die von Moore Threads entwickelten GPUs in autonomen Waffensystemen eingesetzt werden – ein potenzieller Wendepunkt für die militärische Leistungsfähigkeit Chinas.
Noch alarmierender war die Verbindung zu Biren Technology, einem Unternehmen, das sich auf Hochleistungs-GPUs spezialisiert hat. Biren erhielt Investitionen aus einem russisch-chinesischen Investmentfonds, der gezielt die wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit zwischen Moskau und Peking fördern sollte. Laut dem Bericht von UK-China Transparency könnten Technologien von Biren in den militärischen Supercomputern der PLA eingesetzt werden. Die engen Verbindungen zwischen Biren, Russland und China machen deutlich, wie sehr der Erwerb strategischer Technologien auch Teil eines geopolitischen Spiels ist.
Im Oktober 2023 griffen die USA schließlich ein. Moore Threads und Biren Technology wurden auf die Sanktionsliste gesetzt, da beide Unternehmen verdächtigt wurden, Technologien mit militärischem Nutzen für die PLA zu entwickeln. Doch diese Maßnahme kam für Imagination Technologies zu spät. Bereits zuvor hatte das Unternehmen essenzielle Teile seiner Technologie und Expertise an diese Firmen geliefert, was langfristig die strategische Position Großbritanniens schwächte.
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HeXinDa: Ein Joint Venture mit Risiken
Ein weiteres Kapitel der Einflussnahme offenbarte sich 2020, als Imagination mit der Beijing Automotive Industry Corporation (BAIC) ein Joint Venture namens HeXinDa gründete. BAIC, häufig als das chinesische Gegenstück zu Jeep bezeichnet, hat seinen Ursprung in der Herstellung von Militärfahrzeugen für die PLA (Volksbefreiungsarmee). Heute stellt das Unternehmen auch zivile Geländewagen her und expandiert in europäische Märkte. Doch der Automobilbau ist nur ein Teil seiner Tätigkeiten – BAIC ist ebenso in Bereichen wie Drohnen- und Technologieentwicklung für autonomes Fahren aktiv.
Offiziell sollte HeXinDa Chips für autonome Fahrzeuge entwickeln. Doch Analysten äußerten Bedenken, dass diese Technologie für militärische Anwendungen wie Drohnen genutzt werden könnte. Laut UK-China Transparency beinhaltete das Joint Venture nicht nur die Lieferung von Designs, sondern auch intensive Schulungen durch Imagination-Techniker.
Abwanderung und Wissensverlust: Das Ende einer Ära
Die Folgen der Übernahme durch Canyon Bridge machten sich nicht nur geopolitisch, sondern auch unter den Mitarbeitern bemerkbar. Seit 2017 hatte Imagination Hunderte von Stellen gestrichen, und weitere Kürzungen waren geplant. Währenddessen wurden Schlüsseltechnologien und Wissen an chinesische Unternehmen übertragen.
„Architektur-Lizenzen“, die Imagination an Firmen wie Moore Threads und Biren Technology verkaufte, beinhalteten nicht nur Standard-Dokumentationen, sondern auch maßgeschneiderte Schulungspakete. Dies führte dazu, dass die verbleibenden Ingenieure zunehmend durch chinesische Techniker ersetzt wurden. „Es war ein Ausverkauf von britischer Expertise“, so ein anonymer Bericht.
Abbildung 2: Mitarbeiterzahlen von Imagination. Quelle UKCT
Chinas Strategie: Know-how als Waffe
Die Recherchen von UK-China Transparency haben den Fall Imagination in eine größere Perspektive gerückt. Der Bericht zeigt auf, wie China systematisch westliche Unternehmen übernimmt, die Dual-Use-Güter herstellen – Technologien, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Namen wie Nexperia, Aixtron, Kuka und Western Digital stehen exemplarisch für diese Entwicklung, die insbesondere die Halbleiterindustrie betrifft.
Vor dem Hintergrund chinesischer Drohungen gegen Taiwan und der militärischen Expansion im Südchinesischen Meer wird ein Szenario militärischer Auseinandersetzungen, in die auch die NATO verwickelt werden könnte, wahrscheinlicher. Das erschreckende Ergebnis: Westliche Soldaten könnten durch Waffen getötet werden, die mit westlicher Technologie entwickelt wurden.
Zudem zeigen die Recherchen von UKCT, wie eng verwoben das chinesische und russische Militär sind. Im Ukraine-Krieg wurde deutlich, dass Russland ohne fortschrittliche Technologie aus China nicht in der Lage wäre, moderne Waffensysteme zu entwickeln.
Die USA haben die strategische Bedeutung dieser Technologien erkannt und setzen gezielt Sanktionen ein, um Chinas Zugang zu beschränken. Dabei geht es nicht nur um Technologieführerschaft, sondern um die Bewahrung militärischer Überlegenheit. Die USA sehen sich als dominante Macht, während China als aufstrebender Rivale betrachtet wird. Die sogenannte „Thukydides-Falle“ beschreibt diesen Konflikt zwischen einer bestehenden und einer aufstrebenden Macht – und die daraus resultierende Gefahr eines unvermeidbaren Zusammenstoßes.
Abbildung 3: Halbleiter Supply Chain. Quelle: UKCT
Ukraine-Krieg und China: Ignoriert der Westen erneut die Warnzeichen?
Die Ukraine-Krise hat gezeigt, wie gefährlich es ist, geopolitische Realitäten zu ignorieren. Jahrelang glaubte der Westen, dass Russland die Ukraine nicht wirklich angreifen würde – trotz aller Warnzeichen. Diese Fehleinschätzung verhinderte eine rechtzeitige Anpassung der Politik und verschloss den Blick auf präventive Maßnahmen, die den Krieg möglicherweise hätten verhindern können.
Ein ähnlicher Trugschluss scheint sich im Umgang mit China zu wiederholen. Die Vorstellung, dass wirtschaftliche Verflechtungen und gegenseitige Abhängigkeiten ein Land wie China von aggressiven Aktionen abhalten könnten, ignoriert die langfristige Strategie der Volksrepublik. Der Fall Imagination Technologies ist ein mahnendes Beispiel dafür, dass westliche Länder ihre strategischen Interessen oft erst dann erkennen, wenn es bereits zu spät ist.
Wenn der Westen nicht die richtigen Lehren zieht, könnte er erneut von Ereignissen überrollt werden – mit weit schlimmeren Konsequenzen als bisher. Die Frage ist nicht, ob sich Konflikte mit China zuspitzen werden, sondern wann und in welcher Form. Es bleibt zu hoffen, dass der Westen diesmal frühzeitig handelt und nicht erst, wenn die Konsequenzen unausweichlich sind.